Museumspreise und Ausstellungskritik – von Bernd Holtwick

Das Museum zur Geschichte der polnischen Juden in Warschau ist am 9. April 2016  mit dem European Museum of the Year Award ausgezeichnet worden. Ein toller Erfolg und ein Grund, sehr stolz zu sein! Das gilt nicht nur für den Sieger des Jahres 2016, sondern auch für die Häuser, die „special commendations“ von der Jury erhalten haben, für diejenigen, die den Siletto Preis und den Kenneth Hudson Award errangen und nicht zuletzt für den diesjährigen Träger des Museumspreises des Europarates. Und doch …

Auch wenn die Leistungen der Preisträger, der Mut aller Bewerber und das Engagement der Jury uneingeschränkt zu loben sind, bleibt bei der Lektüre der Begründungen eine Frage offen: Was ist daraus eigentlich über Museumsqualität und ihre Maßstäbe allgemeiner zu lernen – zumal der Anspruch formuliert wird, dass die Ausgezeichneten die Qualitätsstandards für Museen in Europa verändert hätten? Ganz offenbar liegt der Preisverleihung eine differenzierte Stellungnahme einzelner Berichterstatter aus der Jury zugrunde. Leider gibt es keinen Hinweis darauf, wo diese Ausführungen einzusehen wären. Stattdessen findet sich eine kraftvoll und pointiert formulierte Laudatio, in deren wenigen Zeilen aber kaum noch eine Differenzierung möglich ist.

Mal abgesehen davon, dass es grundsätzlich einfacher ist, herausragende Leistungen zu erkennen (durchaus auch im negativen Sinne) als zwischen vielen „nur“ ganz guten zu differenzieren, stellt sich doch die Frage nach der Wirkung solcher Preise. Klar, wer einen bekommt, schmückt sich zu Recht damit. Aber kann man ein neues Museum auf einen Preis hin konzipieren? Würde es anders aussehen, wenn es den Preis nicht gäbe? Und kann man etwas daraus lernen, den Preis gewonnen (oder auch z.B. knapp nicht erhalten) zu haben?

Gibt es ganz grundsätzlich eine Möglichkeit, bei einer Preisverleihung die Entscheidungskriterien so offen zu legen, dass sie diskutierbar werden? Oder macht man sich dann so angreifbar, dass man lieber beim Lob dicker aufträgt, als die eigene Entscheidung womöglich in Zweifel ziehen zu lassen? Aber vielleicht braucht es die Öffentlichkeitswirkung von Preisen und gleichzeitig eine intensive Diskussion von Ausstellungen und Museen in einer gewissen Tiefe (also viele engagierte Ausstellungskritiken) …

Ein Gedanke zu “Museumspreise und Ausstellungskritik – von Bernd Holtwick

  1. “Gibt es ganz grundsätzlich eine Möglichkeit, bei einer Preisverleihung die Entscheidungskriterien so offen zu legen, dass sie diskutierbar werden?“

    Die Offenlegung der Entscheidungskriterien für die Auszeichnungen im musealen Bereich und somit auch ihre Diskutierbarkeit sollte in jedem Fall erfolgen. Wie Sie sagen, schmückt sich zu Recht mit Preisen, wer sie erhält, jedoch wäre es für die Entwicklung von Qualitätsstandards für Museen und Ausstellungen sowie für die öffentliche Auseinandersetzung mit eben diesen notwendig, dass Transparenz und Möglichkeiten zur Nachvollziehbarkeit gegeben sind. Auch die Arbeit der Ausstellungskritik ist auf diese Offenlegung angewiesen. Ohne diskutierbare Zweifel an Entscheidungskriterien besteht auch keine Möglichkeit, diese kritischen Stimmen im Diskurs vom Gegenteil zu überzeugen. Somit wäre das emanzipatorische Potenzial, das dem Verleihen und Erhalten von Auszeichnungen innewohnt, doch irgendwie verschenkt.

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