
Deutschland gilt als Land der Dichter und Denker. Nicht verwunderlich also, dass in der Heimatstadt Goethes das erste Museum eröffnet wurde, das sich der Epoche der Romantik als Ganzes widmet.
Die Romantik als Schlüsselepoche erfahrbar machen und Objekte innovativ ausstellen, das ist das Ziel des deutschen Romantik Museums in Frankfurt, das im September 2021 eröffnet wurde. Trotz Ausbaufähigkeit in den Punkten Besucher:innenfreundlichkeit, Barrierefreiheit und gesellschaftlicher Öffnung eine sehenswerte Ausstellung, die ich am 22.Dezember 2021 besucht habe.

Das neu gebaute Museumsgebäude befindet sich angrenzend an das Goethehaus in Frankfurt am Main. Sowohl das Museum und das Goethehaus werden vom 1859 gegründeten Freien Deutschen Hochstift getragen. Die Museumsmachenden beschreiben die Ausstellung, wie auch den Begriff der Romantik selbst, als eine Suchbewegung. In 35 Stationen der Dauerausstellung soll gezeigt werden was die Epoche der Romantik ausmache, so die Verantwortlichen der Website. Die Exponate der Ausstellung sind originale Handschriften der Dichter:innen, Gemälde, Graphiken und Alltagsdinge aus der Sammlung des Freien Deutschen Hochstifts. Auch zahlreiche Multimedia Installationen sollen den Besucher:innen ermöglichen, in die Epoche der Romantik einzutauchen. Kuratiert wurde die Ausstellung von der Leiterin der Museums Dr. Anne Bohnenkamp-Renken, Wolfgang Bunzel (Leiter Handschriftenabteilung), Mareike Henning, Konrad Heumann, Ulrike Kienzie und Joachim Seng.

Zu Beginn der Ausstellung wird man mit einem Wald aus schwarzen, verspiegelten Stehlen mit Zitaten von Dichter:innen begrüßt, die die Romantik beschreiben. „Meine Erklärung des Worts Romantisch kann ich Dir nicht gut schicken, weil sie 125 Bogen lang ist“ (Friedrich Schlegel an August Willhelm Schlegel 1797). Wenn der eher ungünstig platzierte Begrüßungstext im Wald der Zitate rechter Hand nicht übersehen wird, gibt er schnell einen simplen Überblick über die Ausstellung. Er ist im angenehm zu lesenden, zentrierten Flattersatz formatiert und die wichtigsten Aspekte der Ausstellung sind fettgedruckt. So können die Besuchenden sofort erkennen, dass die Ausstellung 35 Stationen mit Narrativen beinhaltet, die keine feste Reihenfolge haben, dass Originale zu sehen sind und der Besuch im Museum eine Entdeckungsreise sein soll. Diese Art von „Begrüßungstext“ ist meiner Meinung nach, besonders für „Museumsneulinge“, ein schöner Einstieg in die Ausstellung, um den Besucher:innen mitzuteilen, was auf sie zukommt.
Viel Ästhetik, wenig Besucher:innenfreundlichkeit
Leider wurde bei allen anderen Texten der Ausstellung mehr Wert auf Ästhetik als auf Besucher:innenfreundlichkeit gelegt. Die Wandtexte der Ausstellung wirken wie Zeitungsartikel mit eingängigen Titeln. Sie sind leider, wie auch nahezu alle anderen Texte der Ausstellung, im Blocksatz verfasst. Das spiegelt zwar den literarischen Charakter der Romantik wider, ist aber absolut nicht lesefreundlich. Der Blocksatz bei einer ohnehin schon textlastigen Ausstellung ist nicht ideal gewählt. Für die Besuchenden ist es anstrengend viel im Stehen zu lesen und die Formatierung erschwert dies zusätzlich, da man leichter in der Zeile verrutscht. Eine bessere Lösung wäre hier der Flattersatz gewesen.

Progressivität der Romantik? Nicht bei der Zielgruppenausrichtung
Durch die Formulierung des Einführungstextes „Aufbruch in die Romantik“ lässt sich die angestrebte Hauptzielgruppe der Ausstellung ausmachen. Fremdwörter in den ersten Sätzen, wie fundamental und kulminieren, sprechen vor allem Besucher:innen mit einem höheren Bildungsgrad an. Im weiteren Text wird aber in etwas einfacherer Sprache erklärt, was es mit dem Aufbruch in die Romantik auf sich hat. Diese Formulierungen zu Beginn schließen alle aus, die diese Ausdrücke nicht ohne weiteres einordnen können. Die Ausstellung wirkt durch ihre Textlastigkeit und Ausdruck belehrend, man fühlt sich teilweise an eine Deutschstunde im Frontalunterricht zurückerinnert. Mit der Formulierung und Textgestaltung wurde meiner Meinung nach eine Chance vertan, den bildungsbürgerlichen Anspruch des Goethe Hauses ein Stück weit hinter sich zu lassen und die Ausstellung und Ausstellungsinhalte einem breiteren Publikum zu öffnen. Gerade im Angesicht des progressiven und umstürzlerischen Charakters der Romantik, um den sich die Ausstellung dreht, fühlt sich die Umsetzung der Ausstellungsmachenden nach leeren Worten in didaktischen Ausstellungstexten an.
Zu umfassender Überblick über die Aspekte der Romantik?
Die Ausstellung gibt im Großen und Ganzen einen vielschichtigen Überblick über die Epoche der Romantik. Behandelt werden neben Dichter:innen und ihren Werken auch Aspekte aus Musik, Wissenschaft und Film. Die Station mit dem im zu Friedrich und August Willhelm Schlegels progressiver Zeitung „Athenaeum“ und den Ideen der Jenaer Frühromantik hat mir gut gefallen, weil hier ein zur Abwechslung spaßiger, berieselnder Input geboten wurde. Die Informationsaufnahme in der restlichen Ausstellung ist mit viel Lesen verbunden, was bei Ganzen 35 Stationen sehr ermüdend ist. Diese Ausstellungseinheit gleich zu Beginn der Ausstellung ist das einzige Mal, dass der progressive Charakter der Romantischen Bewegung für mich wahrnehmbar, herausstellend behandelt wurde. In den anderen Stationen schwingt diese Aussage über die Romantik unterschwellig mit. Dieser, für die Sozialgeschichte wichtige Aspekt ist Trotz der recht vielen Stationen für mein Empfinden nicht genug herausgestellt worden.
Atmosphärisch dichte Entdeckungsreise durch die Romantik
Die Gestaltung der Ausstellung ist ästhetisch sehr ansprechend und modern. Im Gegensatz zur „klassischen“, verstaubt wirkenden Dichterstube sieht man gestalterisch im Romantik Museum einen weiten Schritt nach vorne. Die eher dunklen Lichtverhältnisse ohne Fenster, die Farbgestaltung der Wände und Stellwände, sowie die farblich passenden Schreibpulte fügen sich gut zu einem ruhigen, gemütlichen, angenehm entschleunigten Gesamtbild zusammen. Die geschaffene Atmosphäre in der Ausstellung stimmt gut mit der vom Museum beworbenen Entdeckungsreise durch die Epoche der Romantik überein.

Außerdem entdeckt man durch die gesamte Ausstellung hindurch gestalterische Besonderheiten, die Motive der Romantik widerspiegeln. So werden z.B. bei der Station „Waldeinsamkeit“ die Besucher:innen zunächst durch Vogelgezwitscher und Geräusche des Waldes zur Station gelockt. In der Kulisse des Waldes angekommen, finden sie sich durch die Darstellung des Waldes als Ziehharmonikabild beim Hineingehen in einer Waldidylle, beim Hinausgehen in einem kahlen, schauerlichen Wald wieder. Ein Sprecher ließt eine Passage aus dem Romantischen Kunstmärchen „der blonde Eckbert“ (1797, Ludwig Tieck). Bei dieser Station wird zum einen das Motiv der Synästhesie, also der Vermischung von Sinnen, zum anderen das Motiv der schlagartigen Veränderung der Wahrnehmung anschaulich vermittelt.
Stimmige Raumgestaltung: viele „Rückzugsorte“, Lichtakzente und Hands-On-Stationen
Es gibt in der Ausstellung an einigen Stellen Sitzgelegenheiten und durch Zwischenwände und Vorhänge wurden viele „Rückzugsorte“ für die Besucher:innen geschaffen. Zum Beispiel eine, über eine schmale Treppe zugängliche Leseecke mit Büchern zu Werken der Romantik und Märchen, die allerdings nicht barrierefrei zugänglich ist. Außerdem erlauben es Bildschirme oder Installationen mit Sitzsitzgelegenheiten in Nischen, sich zurückzuziehen, um sich mit den Inhalten der Station zu beschäftigen. Meiner Meinung nach sind diese Rückzugsorte gut gewählt, um sich intensiver mit den Aspekten der Romantik zu befassen. Es wird das Gefühl geweckt, den Dichter:innen in ihrer Schaffensphase nah zu sein.


Die im Begrüßungstext angekündigte Entdeckungsreise wird unter anderem durch geschickt gesetzte Lichtakzente initiiert. Lampen werden auf die Wandtexte gerichtet oder an den Klappen der Schreibpulte eingesetzt, um zum Entdecken der im inneren lichtgeschützt aufbewahrten originalen Manuskripte anzuregen. Die Schreibpulte schützen die Manuskripte vor Beschädigung durch Licht und passen thematisch gut zur Ausstellung, die vor allem Dichter:innen behandelt. Allerdings wirken die Pulte, die sich durch die gesamte Ausstellung ziehen und an fast jeder Ausstellungeinheit zu finden sind eintönig und damit erscheint das Thema überstrapaziert. Auf den Pulten gedruckt sind Sekundärtexte, die tiefgreifendere Informationen zur Dichter:in oder zum im Wandtext behandelten Narrativ geben. Außerdem stehen Postkarten mit Portraits der betreffenden Personen und biographische Informationen zum Mitnehmen bereit. Im Seitenfach der Pulte ist jeweils eine Abbildung des Manuskripts sowie eine Transkription zu finden, die in die Hand genommen werden kann, um sie mit dem Original zu vergleichen.
Ausbaufähige Barrierefreiheit
An der räumlichen Gestaltung negativ aufgefallen ist allerdings, dass manche dieser Rückzugsorte Menschen mit Gehbehinderung oder im Rollstuhl ausschließen, obwohl das Museum auf seiner Website den „gesamten Neubau als barrierefrei zugänglich“ beschreibt. (s. Website des Museums). Barrierefreiheit und Nutzer:innenfreundlichkeit halte ich für Schwachpunkte der Ausstellung: Für viele Audioinhalte gibt es keine Alternative für Menschen mit Hörbeeinträchtigung. Blinde und sehbehinderte Menschen werden völlig ausgeschlossen. Es sind weder ein Blindenleitsystem noch Braille- oder Pyramidenschrift in der Ausstellung vorhanden.

Als besonderes Highlight der Ausstellung bewirbt das Museum die „interaktive Landkarte“, eine Hands-on Station mit großem Touchscreen, auf dem Informationen zu Wirkungsorten der Romantik, Wege der Dichter:innen in Europa auf dem Screen, sowie Gemälde und Darstellungen auf einer Projektionsfläche an der Wand aufgerufen werden können.
Eine weitere interaktive Ausstellungseinheit ist die Station, die den Schöpfungsprozess der Faust Oper von Robert Schuhmann „Hier ist die Aussicht frei, der Geist erhoben“ behandelt. Verschiedene Notenblätter und Kupferstiche zum Thema Goethes Faust können auf einen Tisch gelegt werden, um mit einem Beamer bespielt zu werden. Thematisiert werden Aspekte des Schaffungsprozesses Schuhmanns, die durch die Unterhaltung einer „Expertin“ und eines „Besuchers“ vermittelt werden. Positiv zu bemerken ist hier, dass das interaktive Element auf Anhieb intuitiv funktioniert, sowie das Vorhandensein von Untertiteln des Audioinhaltes. An vielen Ausstellungseinheiten mit einer Interaktionsmöglichkeit fehlen leider genaue Beschreibungen, und Anleitungen. Deshalb können viele dieser Stationen nicht oder nicht wie vorgesehen erlebt werden.
Fazit: bedingte Empfehlung zum Besuch
Ich würde den Besuch im Romantik Museum bedingt empfehlen. Als Person mit germanistischem und historischem Hintergrund hat mir die Ausstellung gut gefallen, da ich sie mit der Erwartungshaltung einer recht didaktischen, textlastigen Ausstellung mit Zielgruppenfokus auf Menschen mit höherem Bildungsstand besucht habe. Die Gestaltung und Atmosphäre waren sehr stimmig und es konnte ein umfassender Überblick über die Epoche der Romantik vermittelt werden. Allerding sind die Leerstellen in den Punkten Barrierefreiheit, Textlastigkeit und Textgestaltung sowie die nicht vorhandene gesellschaftliche Öffnung und Beibehaltung des bildungsbürgerlichen Images Schwachstellen des Deutschen Romantik Museums.
Frankfurter Goethe-Haus und Deutsches Romantik-Museum, Großer Hirschgraben 21, 60311 Frankfurt am Main
Kuratierung der Dauerausstellung des Deutschen Romantik Museums:
Dr. Anne Bohnenkamp-Renken, Wolfgang Bunzel, Mareike Henning, Konrad Heumann, Ulrike Kienzie und Joachim Seng.
Gestaltung und Szenografie: Sound of Silence (Petra Eichler und Susanne Kessler), Büro für Gestaltung (Jörg Gimmler), Leise Design (Knut Völzke, Hans Hess)
Lichtgestaltung: Atelier deLuxe



















Ich kann mich der Einschätzung von Frau Blasov nur anschließen! Mir hat bei meinem Besuch insbesondere die Darstellung der einzelnen Werke gefallen. Die visuelle Darstellung der Texte z.B. an den Wänden oder in kurzen Auschnitten passt hervorragend zu meiner Generation Z 5 min Aufmerksamkeitsspanne. Scherz beiseite, die Ausstellung ist echt empfehlenswert. Sie zerteilt ein sonst sehr staubig (Hallo Deutschunterricht) insziniertes Thema in gut portioniert und dargestelle Infohappen.