„Nachrichten – News“ im Museum für Kommunikation, Berlin – von Nicole Guether

Vom einstigen Hunger nach Nachrichten ist nicht mehr viel übrig. Täglich strömen sie massenweise über verschiedene Kanälen auf uns ein und angesichts der vielen globalen Krisen greift eine Nachrichtenmüdigkeit um sich. Die Ausstellung sucht Gründe dafür und will „einen multiperspektivischen Blick auf die Gegenwart“ werfen.

Damit kommt die erste umfassende Ausstellung über Nachrichten in Deutschland zu einer Zeit, in der durch Dauerbeschallung mit Informations-Häppchen die eigene, individuelle Medienkompetenz wichtiger denn je wird. Daher richtet sich die Ausstellung explizit an ein junges Publikum und regt an, unserem Verhältnis zu Nachrichten nachzugehen. Mit ihrem besonderen Fokus auf Nachrichtenagenturen, hinterfragt die Ausstellung im Kommunikationsmuseum wie Nachrichten entstehen, wer entscheidet, was zur Nachricht wird und wie sich seriöse Berichterstattung von zunehmend populistischer Meinungsmache unterscheiden lässt.

Der Beginn ist überfordernd – und ahmt damit unseren täglichen, ungefilterten Medienkonsum nach (Ausstellungsansicht der Empore, Fotos: Nicole Guether 2025).

Strategie der Dauerbeschallung und Überforderung

Die Ausstellung beginnt auf der Empore der obersten Etage mit überladener Aufmachung. Bunte Schilder auf den schlanken, hellen Holzgerüsten tragen das Wort Nachricht in vielen verschiedenen Sprachen und Schriftzeichen. Kurze Videos und große Fotocollagewände ziehen die Blicke an. Dieser Einstieg nutzt – ob beabsichtigt oder nicht – die Strategie des übermäßigen Eindrucks, dem wir letztlich tagtäglich durch ungefilterten Medienkonsum ausgesetzt sind. Bilder, Slogans, Berichte, noch mehr Bilder.

In dem Wust aus News – und hier ist das Wort pejorativ zu verstehen, werden doch längst Banalitäten zu dominierenden „Nachrichten“ – ist zunehmend kritische Medienkompetenz unabdingbar. Daher zielt die Ausstellung vornehmlich auf ein jüngeres Publikum, dass besonders Gefahr läuft auf Fake News hereinzufallen. Ein erster Film mit dem TV-bekannten „Checker-Tobi“ bietet gleich zu Beginn eine Bezugsperson für die Jüngsten an und lockt so ans Thema. Mit dem Begleitheft zur Ausstellung wird ein spielerischer Zugang zur problematischen Thematik geboten und zugleich didaktischen Mehrwert geschaffen. Die Ausstellungsmacher haben darauf geachtet, das dichte Wissen altersgerecht, abwechslungsreich und informativ zu aufzubereiten.

Dass dann die Fotocollagen ausschließlich Bildikonen von Ereignissen der vornehmlich deutschen Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts zeigen, ist ein unverständlicher Fauxpas – das angestrebte Jungpublikum wird diese kaum erkennen können. Sie sind wohl eher für die begleitenden Erwachsenen.

Struktur und Aufbau

Die Problematik, derer sich die Ausstellung annimmt, wird eingangs deutlich gemacht: Nie war es einfacher, über das aktuelle Weltgeschehen Bescheid zu wissen, sind doch Nachrichten jederzeit und überall verfügbar. Aber es waren auch die Nachrichtenmüdigkeit und das Desinteresse nie größer.

Das war einmal anders, als Nachrichten rar und deren Verbreitung noch ein teures, zeit- und ressourcenaufwendiges Unterfangen war. Nachrichten aus der Ferne erhielten deshalb lediglich Herrschende, das gemeine Volk brauchte von Nichts zu wissen – und damit ließ es sich leicht beherrschen. Heute scheint vielfach das Gegenteil der Fall: Mit übermäßigen Meldungen, inzwischen allzu oft von Politiker:innen selbst verteilt, wird eine permanente Bedrohungsatmosphäre erzeugt, die den Wunsch nach messianischer Rettung weckt. Keine Nachricht verbreitet sich schneller als Fake News, eben weil diese Emotionen auslösen.

Der historische Abriss über die Entwicklung – von Brieftaube und Boten, über die Post(-kutsche) als Nachrichtenverteiler hin zur (Massenware) Zeitung und (global agierenden) Nachrichtenagenturen – wird so aufbereitet, dass die Funktion nebst stetiger Demokratisierung des einst erhabenen Produkts erzählt wird. Dazwischen finden die Gefahren Platz: Jene, denen Nachrichten durch Beschränkung der Meinungsfreiheit wie zur NS-Zeit ausgesetzt sind. Sowie die Gefahren, die mit immer schwächer werdender journalistischer Überzeugungsarbeit und von Fake News und unseriösen „Nachrichtenplattformen“ selbst ausgehen.

Ausstellungsansicht gelber und roter Raum – Das Farbkonzept dient auch zur besseren Orientierung fürs Begleitheft (Fotos: Nicole Guether 2025).

Schon der erste (gelbe) Raum wartet mit einer sehr dichten Präsentation auf und geht viele Themen an. Dem wurde versucht mittels der Ausstellungsarchitektur entgegenzuwirken. So stehen die Aufbauten wie Inselchen „luftig“ verteilt, variieren in ihren Größen und medialen Präsentationen. Das Raumgefüge regt zum „Durchschlendern“ an, gibt keinen festen Weg vor. Das mag dem – der fehlenden Konzentration verdächtigen – Publikum entgegenkommen. Doch kann diese Offenheit auch das sehr aktuelle Gefühl von FOMO auslösen: „Fear of missing out“, also die Angst, etwas zu verpassen.

Aufmerksamkeitsökonomie

Hat man jedoch einmal seine FOMO überwunden, bewegt man sich ungezwungen zwischen den Abschnitten hindurch. Stationen, die geschichtliches Wissen, Fakten und Risiken des modernen Medienverhaltens vermitteln, wechseln sich ab mit solchen, an denen man seine Meinung bekunden oder Fragen beantworten kann. Das entzerrt die dichte, informationsreiche Erzählung. Dass das Wissen häppchenweise serviert werden, ist für all jene von Vorteil, die von einem Zuviel schnell davon schrecken.

Viele Mitmachstationen regen an das eigene Verhältnis zu Nachrichten zu hinterfragen (Fotos: Nicole Guether, 2025).

Die Strukturierung der Räume orientiert sich überhaupt deutlich an der menschlichen Aufmerksamkeitsspanne zum Verarbeiten von Informationen. Auf den gelben Raum folgt mit dem roten daher einer, der vor allem mit historischen Objekten das Sehen verstärkt bedient und daher die benötigte reflexive Erholung gewährleistet. Gegen Ende der Ausstellung nehmen die zu verarbeitenden Informationen weitestgehend ab und wird das Mitmachen intensiviert.

Medieneinsatz und Exponate

Erfolgreich wird angeregt, das individuelle Verhältnis zu Nachrichten zu hinterfragen. Was konsumiert man, wie oft und warum? Fragen dienen dazu, Themen bündig anzuschneiden, ohne sie breit abzuhandeln. So wird schlaglichtartig auf Problematiken hingewiesen: Wodurch vertrauen wir? Wer finanziert unsere Nachrichten? Was brauchen wir, um die Fakten zu erkennen? Wie unterscheiden sich Stil und Sprache von Zeitungen und Nachrichtenagenturen? Wie gut kann man die Qualität von Informationen einschätzen? Wie glaubwürdig sind Bildnachrichten? Über solche und viele weitere Fragen nähert man sich der komplexen Thematik in den medial diversen Mitmachstationen an und wird aufgefordert aktiv mitzudenken.

Bedrohte Pressefreiheit weltweit (Foto: Nicole Guether 2025).

Der Einsatz von Medien ist vielfältig, wobei die Soundstationen teilweise zu lang sind und in der Erzählweise eher weniger für ein jüngeres Publikum geeignet, z.B. zum „Arbeitsalltag in Wolffs telegrafischem Bureau“ im gelben Raum. Für andere Themen wäre es wiederum vorteilhaft gewesen, sie über prägnante Filme zu vermitteln, um der Komplexität gerecht zu werden. Das „Dranbleiben“ wird nicht immer (altersgerecht) bedient.

Die Wand mit Antworten von Besucher:innen zur Frage, welche Nachrichtenquelle die bevorzugte sei, gibt einen repräsentativen Einblick in den zeitgenössischen Mediengebrauch: Immer häufiger erhält man seine Nachrichten nicht mehr durch traditionelle Formate und Produzenten, sondern als User-Generated Content von Podcasts und Social Media-Persönlichkeiten. Welchen Einfluss hat diese Form des Nachrichtenkonsums in Zukunft?

Fokus: Nachrichtenagenturen

Die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entstandenen Nachrichtenagenturen waren die Folge der immer engeren wirtschaftlichen Vernetzung der Welt. Hatten einst nur Könige Kunde von den Ereignissen in fernen Reichen erhalten, so waren nun die globalen Interessen von Geschäftsleute das Motiv hinter der Ausweitung von Meldungsaustausch. Die Gier nach Nachrichten war der Gier nach Kapital geschuldet. Die Wirtschaft war der Geburtshelfer einer international agierenden Presse. Und sie ist heute erneute Ursache für die rasante Veränderung.

„Welche Schlagzeile wünschst du dir? – Hinterlasse zum Abschluss deine eigene Schlagzeile“ (Foto: Nicole Guether, 2025).

Mit ihrem Schwerpunk auf das System der Nachrichtenagenturen (dpa, AFP, AP. Reuters) erweitert die Ausstellung ihren Blick auf die Internationalisierung der Nachrichtenindustrie. Es geht nicht nur um die Meldung über das Ausland, sondern inwiefern im Ausland produzierte Nachrichten als Ware verkauft und verbreitet werden.

Fazit: Prädikat – besonders wertvoll

Das abnehmende Vertrauen in traditionelle Nachrichtenproduzenten stellt eine besorgniserregende Entwicklung für demokratische Gesellschaften dar, die auf informierte Bürger:innen angewiesen sind. Dass sich immer mehr Menschen von etablierten Formaten abwenden und ihre Informationen verstärkt über, teilweise fragwürdige, Social Media-Plattformen erhalten, ist angesichts der sich dort rasant verbreitenden Fake News besorgniserregend. Gleichzeitig büßt die Presse als demokratische „Vierte Gewalt“ zunehmend an Einfluss und Glaubwürdigkeit ein.

Bei der aktuellen Wichtigkeit und dem zunehmenden Verlust von Urteilsfähigkeit bei gleichzeitiger Zunahme von Fake News verwundert es, dass die Ausstellung – im letzten Oktober eröffnet – nicht breiter beworben ist. Die seit Februar 2025 parallellaufenden Ausstellung zu Uderzo, dem Erfinder des „Asterix“-Comics, war im Berliner Stadtbild wesentlich präsenter.

Da didaktisch hochwertvoll, ist sehr zu empfehlen die Ausstellung unbedingt noch bis zu ihrem Ende im September zu besuchen, auch und gerade mit Kindern und Jugendlichen. Eigentlich sollte sie permanent laufen, oder als Wanderausstellung in anderen Städten gastieren.

Ausstellung „Nachrichten – News“

Museum für Kommunikation, Berlin in Zusammenarbeit mit der Berliner Landeszentrale für politische Bildung

11. Oktober 2024 bis 7. September 2025

Kuratierung: Hannah Fiedler, Benjamin Egger, Dr. Maria Merseburger, Wenke Wilhelm

Gestaltung: gewerkdesign, Berlin
 

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