Das 2022 eröffnete Christian Schad Museum in Aschaffenburg stellt auf drei Etagen eine breite Palette an Werken des namensgebenden Künstlers aus. Angestoßen wurde die Gründung des Museums von der Witwe des Künstlers, Bettina Schad. Sie übergab den Nachlass ihres 1982 verstorbenen Mannes an die von ihr gegründete Christian-Schad-Stiftung unter der Bedingung, dass die Stadt Aschaffenburg ihm zu Ehren ein Museum errichtete. Im Juni 2022 konnte das Museum, nach einer etwa fünfjährigen Verzögerung endlich eröffnet werden. Etwa 200 der mehr als 3.200 Werke umfassenden Sammlung bilden unterschiedliche Stile und Schaffensphasen ab, die Schad mit seiner Kunst explorierte.

Die Gestaltung der Museumsräume verweist über die Kunstwerke hinaus auch auf das bewegte Leben Christian Schads. Mithilfe von großformatigen Fotoabzügen, die die Wände des Museums schmücken, wird beispielsweise immer wieder der Bezug zwischen Schads Kunst und seiner sich ständig wandelnden Lebenswelt hergestellt.


So werden die Besuchenden gleich zu Beginn der Ausstellung mit einer Fotographie des von Bomben zerstörten Berlins konfrontiert. Dort hatte Schad sein Atelier, dass durch den Bombenangriff der Alliierten am 2. März 1942 derart stark beschädigt wurde, dass er nicht länger dort arbeiten konnte. Dieser Umstand führte zur starken Verbindung des Künstlers zur Stadt Aschaffenburg. Denn während besagter Bombardierung hielt Schad sich wegen eines Portraitauftrages in der unterfränkischen Stadt auf. Nach einem weiteren wichtigen Auftrag vor Ort und wegen der Beschädigung seiner Arbeitsräume, entschied Schad sein Atelier auf unbestimmte Zeit von Berlin nach Aschaffenburg zu verlagern. Letztendlich blieb er über 40 Jahre in Keilberg, im Landkreis Aschaffenburg.
Dieser schicksalshafte zweite Auftrag in seiner letztlichen Wahlheimat wird ebenfalls im ersten Raum des Museums aufgezeigt. Es handelt sich hierbei um eine Kopie der Stuppacher Madonna von Matthias Grünewald. Weitere Gemälde wie das Werk Hochwald von 1936 kündigen schon im ersten Raum die Verbindung zwischen Christian Schad und dem Dritten Reich an, die im zweiten Obergeschoss thematisiert wird. Neben Fotographien einiger seiner Familienmitglieder findet sich hier auch ein Portrait seiner zweiten Ehefrau Bettina Mittelstädt, die später als Bettina Schad die Christian-Schad-Stiftung ins Leben ruft und somit eine zentrale Persönlichkeit des Museums ist.


Nach dem Gang durch das lichtdurchflutete aber auch steril wirkende weiße Treppenhaus des Museums, an dessen Glasfassade ein monumentaler Abzug einer „Schadographie“ prangt, betritt man den zweiten Raum des Museums. Hier werden, dem biografischen Aufbau der Ausstellung folgend, eine Auswahl von Schads Werken aus den 1910er bis in die späten 1920er Jahre gezeigt.
Mit dem Umzug Schads 1915 nach Zürich kommt er erstmals mit Persönlichkeiten der Dada-Bewegung in Kontakt. Unter ihnen wird in den Texten des Museums Dr. Walter Serner hervorgehoben. Der Publizist ist es, der Schad 1916 nach Genf folgt und dort die ersten Werke Schads im Stil des Dadaismus anstößt. In Fotogrammen, den sogenannten „Schadographien“ experimentiert der Künstler im Geiste des Dadaismus mit lichtempfindlichem Papier, auf welches er Gegenstände legt, die sich durch die Belichtung des Papiers auf diesem abbilden. Ausgestellt werden können diese Arbeiten im Museum nicht, da sie vor Licht geschützt konserviert werden müssen. Daher werden an ihrer Stelle Faksimile präsentiert, um diese von Schad entwickelte Technik erlebbar zu machen.
Neben den dadaistischen Werken werden auf dieser Etage auch Hauptwerke der kubistischen Phase wie Kreuzabnahme und Marietta von 1916 gezeigt. Hier fließen der französische Kubismus mit seinen kristallinen Formen und die Schrecken des ersten Weltkrieges ein, der die Farblosigkeit der Grisaillen bedingt.
Auch der Expressionismus beeinflusst das Arbeiten Schads in dieser Zeit. 1918 ist er Besucher in einer psychiatrischen Klinik und malt dort im expressionistischen Stil die Patienten. Einige dieser kleinformatigen Öl-Studien zeigt das Museum in Aschaffenburg, wie zum Beispiel In der Wanne von 1918.
Immer wieder weist das Museum auf Schads Sympathie für die Kranken, die Außenseiter und die Subkulturen hin. Hierin ist vielleicht ein Versuch zu erahnen den aus einer wohlhabenden Familie stammenden, den Kriegsdienst verweigernden, als schwierigen Menschen ohne Empathie beschriebenen Künstler auch mit positiven Eigenschaften zu besetzen. Dies ist sogar in Ansätzen zu erkennen, wenn auf der dritten Etage über Schad im Dritten Reich geschrieben wird.
Für die zweite Etage ist zusammenfassend zu sagen, dass hier die Auseinandersetzung Schads mit dem Kubismus, Dadaismus und Expressionismus als ein parallel verlaufender Prozess dargestellt wird. Stärker könnte hier noch darauf eingegangen werden, wie sich die Stile gegenseitig bedingten und von welchen Künstlern und Künstlerinnen Schad in seiner Arbeit inspiriert wurde.





Auf der dritten und letzten Etage des Museums werden die produktivsten Jahre seines Schaffens zwischen 1941 und 1943, sowie sein Spätwerk präsentiert. Das Museum scheut sich nicht davor Schads Tätigkeit während des NS-Regimes abzubilden und spricht sich dabei auch gegen die frühere Rezeption des Künstlers aus, in der die frühen 40er Jahre als Zeit des Schweigens bezeichnet wurde und in der Schad kaum gearbeitet haben soll.
Es werden Fakten aufgezeigt, die diese alte Darstellung des Künstlers konkret widerlegen: Beispielsweise ging Schad aktiv auf die Organisatoren der Großen Deutschen Kunstausstellung zu, um dort 1937 seine Werke im Haus der Deutschen Kunst in München zeigen zu können. Außerdem erstellte er im Zuge seiner Faszination für Ostasien und Okkultismus Horoskope für Hitler, Göring, Mussolini und eines für das gesamte Dritte Reich. Auch seine Beweggründe für den Eintritt in die NSDAP im Jahre 1933 werden im Katalog zur Ausstellung hinterfragt. Dort sind die „Persilscheine“ abgedruckt, die Schads Freunde ihm im Zuge der Entnazifizierung ausstellten, um seinen Parteieintritt zu rechtfertigen. In der Ausstellung wird darüber hinaus die Geldsumme genannt, die Schad zahlen musste, um Sühne zu leisten, da er als Mitläufer eingestuft wurde. An dieser Stelle kommt die selbsterklärte Aufgabe der Christian-Schad-Stiftung zum Tragen „durch Forschung, Vermittlung und gezielten Zuerwerb von Werken das Schaffen Christian Schads aufzuarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.“[1]


Der letzte Bereich der Ausstellung befasst sich mit Schads Arbeiten ab den 1960er Jahren. Nach finanziellen Schwierigkeiten durch die Währungsreform Ende der 40er Jahre und einem psychischen und physischen Zusammenbruch 1950 besinnt sich Schad wieder auf die Neue Sachlichkeit, testet neue Methoden zu „Schadographien“ und wendet sich schlussendlich dem Magischen Realismus zu.

Foto: Julia Braun 2024
Besonders werden im Museum auch die Portraits in Szene gesetzt, die der Künstler schuf. In diesem Genre bewegt sich Schad mit seinem unverwechselbaren Stil, der durch die Aufreihung mehrerer Portraits nebeneinander deutlich wird. Er malt seine Modelle nach fotographischen Vorlagen und erzählt mit den Hintergründen, vor denen er sie inszeniert ihre Geschichten. Gleichzeitig scheinen die Portraitierten völlig losgelöst von den Szenen im Hintergrund zu existieren. Sie interagieren nicht mit ihnen und werfen beispielsweise auch keine Schatten auf das Dargestellte. Oft werden die Bildinhalte des Hintergrundes vom Bildrand abgeschnitten und auch der Einfluss von Collagen wird in der Gestaltung sichtbar. Viel näher als dem Hintergrund wirken die Portraitierten dem Betrachter, da ihre provokanten Blicke die Besuchenden des Museums direkt anzublicken scheinen.
Auch zwei seiner bekanntesten Arbeiten sind Portraits aus den 1920er Jahren. Das Selbstbildnis mit Modell, welches sich in der Tate Modern befindet, und das Werk Graf St. Genois d’Anneaucourt aus dem Centre Pompidou können leider nicht im Original in der Aschaffenburger Ausstellung gezeigt werden. Daher musste das Christan-Schad-Museum erfinderisch werden. Die Bildschirme, an denen die Besuchenden per Berührung Digitalisate dieser und weiterer Kunstwerke aufrufen können, sind jedoch eine fantasiearme Methode ohne inhaltlichen Mehrwert.


Das Museum besticht insgesamt durch die Menge von Arbeiten Christan Schads und die erstaunliche Bandbreite an Gattungen und Techniken, die der Künstler im Verlauf seines Lebens erprobte. Neben den bekannten Ölmalereien und „Schadographien“ überrascht die Sammlung mit einer Fülle an Druckgraphiken, Zeichnungen, Farbstudien, Fotografien, Arbeiten in Wachstempera und originalen Artefakten aus dem Besitz der Familie Schads, wie okkulten Büchen und Kleidungsstücken.



Die häufigen Umzüge des Künstlers und sein bewegtes Leben machen es schwer die verschiedenen Etappen seiner Biographie im Museum nachzuvollziehen. Hier hilft jedoch die anschaulich gestaltete Übersicht in Papierform, die an der Museumskasse zur Orientierungshilfe ausgehändigt wird. Sie stellt die wichtigsten Orte, Personen und Geschehnisse im Leben Christian Schads zwischen 1894 und 1982 kompakt dar.
Christian Schad Museum, Aschaffenburg
Konzept: Thomas Richter
Gestaltung: Architekturbüro Walter Böhm Architekten, Dettelbach/Iphofen
[1] Stadt Aschaffenburg: Christian-Schad-Stiftung. Website des Christian Schad Museums. Online im Internet unter: https://www.museen-aschaffenburg.de/Christian-Schad-Museum/Christian-Schad-Stiftung-Aschaffenburg/DE_index_1332.html [Stand: 08.10.2024].


















