Aufmerksam auf die Ausstellung Abenteuer am Nil – Preussen und die Ägyptologie 1842-1854 wurde ich durch die Werbefahne vor dem Eingang des Neuen Museums auf der Berliner Museumsinsel, welche mir eine Ausstellung zum Mitmachen versprach. Auch die Begrüßungstafel im ersten Raum des Untergeschosses, greift die Sinne, die folgend angesprochen werden, auf. Retrospektiv verspricht sie mit der Möglichkeit, selbst Hand anlegen zu können, etwas zu viel, leitet die Ausstellung vor dessen Beginn jedoch freundlich ein. Der Ausstellungsrundgang ist anhand von Kapiteln und der Nummerierung der Audio-Sequenzen gut ausgeschildert und erschließt sich einem so überwiegend. Die Übersichtlichkeit und Ausschilderung gelingt hier besser als in vielen anderen Ausstellungen in historischen Gebäuden auf der Museumsinsel. Es gibt in dem Ausstellungsrundgang aufgrund der Vielzahl an Objekten und zugehörigen Texten die Möglichkeit, sich Themen länger zu widmen und bei diesen zu verweilen. Auch da die Ausstellung zum Teil in Fusion mit der Dauerausstellung und dessen Objekten aufgebaut ist, wird die Wichtigkeit der Funde betont. Die Ausstellungsinhalte sind übergreifend orange farblich gekennzeichnet, sodass man dem roten Faden auch in den Dauerausstellungsräumen weiter folgen kann.

Anschaulich, wenn auch sehr detailliert, werden die Anfänge der preußischen Ägyptologie auf einem großen Schaubild gezeigt und erklärt. Das Thema der Ausstellung – die vom preußischen König Friedrich Wilhelm IV. finanzierte Nilreise – wird damit von Beginn an einem wissenschaftlichen Kontext zugeordnet und ihre Relevanz für die Forschung verdeutlicht. Szenographisch muss angemerkt werden, dass sich dieses Schaubild zum Zeitpunkt meines Besuches (16.20 Uhr Anfang November), aufgrund fehlenden Lichts jedoch nicht sehr gut lesen lässt. Falls es sich hierbei um eine Maßnahme zum Stromsparen handeln sollte, wäre ein Hinweis darauf nützlich. Abgesehen davon gelingen die Kontextualisierungen zur Einführung in die Ausstellung jedoch sehr gut. Auch eine großformatige Karte, die die Reiseroute entlang des Nils durch Ägypten, den Sudan, Nubien und die Bayuda-Wüste zeigt, holt Besucher*innen mit unterschiedlichem geographischem Vorwissen visuell ab.

In den Texten der Ausstellung wird der Abenteuercharakter der Reise häufig betont, was vermuten lässt, dass insbesondere Kinder, die durch die Ausstellung und das zugehörige Rätselheft daran teilhaben können, angesprochen werden sollen.
Abwechslung durch verschiedene Vermittlungsmedien
Die Ausstellung bedient sich unterschiedlichen Medien der Informationsvermittlung. Tragend sind klassischerweise weiterhin Texte, welche unterschiedliche Vertiefungsebenen bieten. Während die Haupttexte einen leicht verständlichen Überblick über die aktuell thematisierte Station der Reise bieten, widmen sich die vertiefenden Texte einzelnen Phänomenen, sowie den Objekten, genauer.

Die präsentierten Objekte und die vielen bildlichen Darstellungen sind umfangreich: an Informationen mangelt es der Ausstellung – im Gegensatz zu Sitzmöglichkeiten – nicht. Trotz der Masse an Informationen und Objekten, stellt es kein Problem dar, einzelne Ausstellungsteile zu überspringen oder gelegentlich zu überfliegen. Im Gegenteil: die Besuchenden sind eher gezwungen, eine eigene Auswahl zwischen den vielen Stationen der Reise zu treffen oder die Ausstellung ein zweites Mal zu besuchen, um sich allen Themen widmen zu können.
Der anfänglich versprochene Sinn des Hörens lässt sich in der Ausstellung nur wahrnehmen, wenn ein Audioguide neben der Kasse im Erdgeschoss mitgenommen wurde. Leider wird darauf an der Kasse oder auf dem Weg zur Ausstellung im Untergeschoss nicht hingewiesen. Der Audioguide ist mit den autobiographischen Erzählungen der reisenden Forscher gefüllt, wodurch mit bildlichen Beschreibungen die Ausstellungserfahrung um authentische Eindrücke erweitert wird. Das Design des Audioguides und die unterschiedlichen Stimmen lassen darauf schließen, dass es sich um Vertonungen der jeweiligen Tagebucheinträge der Reisemitglieder handelt. So gibt es neben einer Erzählerin drei Sprecher: Karl Richard Lepsius, Max Weidenbach und Georg Erbkam.


Der versprochene Mitmacheffekt lässt lange auf sich warten. In der Ausstellung ist es unklar, ob vitrinenlose Objekte, wie ein verkleinertes Modell der Cheops-Pyramide, zum Anfassen gedacht sind. Erst am Ende des ersten Ausstellungsteils im Erdgeschoss gibt es erkennbare Hands-On Stationen. Diese würde man sich bereits im Verlauf der Ausstellung wünschen, da dies den Lerneffekt und Spaß fördern würde, da Gelesenes oder Gehörtes direkt haptisch erfahrbar gemacht werden könnte. Teil der Hands-On Stationen ist eine Camera Lucida, mit der Objekte detailgetreu abgezeichnet werden können. Obwohl die Idee für diesen interaktiven Teil gut ist und in direktem Zusammenhang mit den Dokumentations- und Forschungsmethoden des Expeditionsteams steht, lässt sich beobachten, dass sich die Umsetzung für viele der Besuchenden kompliziert gestaltet, da das Prisma trotz einer Bedienungsanleitung nicht einfach zu benutzen ist. Zwar wird die Abklatschmethode , bei der ein Relief oder andere strukturierte Oberflächen auf Folie übertragen werden können, als Hands-On besser erklärt, allerdings ist an dieser Station keine Folie vorhanden, mit der sie sich umsetzen ließe.

Ausstellungsübergreifend gibt es ein gratis Rätselheft, das ansprechend gestaltet ist, für das jedoch ein Stift zum Ausfüllen der Aufgaben nötig ist. Darauf wird man an der Kasse (zumindest als 23-Jährige ohne Kind) oder vor dem Einschließen seiner Gegenstände nicht hingewiesen. Ebenfalls fällt erst mit dem Rätselheft in der Hand auf, dass zur Bearbeitung teilweise der Audio-Guide von Nöten ist. Mit entsprechenden Hinweise beim Ticketkauf oder an der Garderobe könnte die Besucher:innenfreundlichkeit mit wenigen Mitteln verbessert werden. Obwohl sich die Ausstellung grundsätzlich für Familien eignet, enttäuschen der Mitmacheffekt oder die interaktive Einbeziehung, obwohl davon alle Besuchenden profitieren würden.
Piktogramme bieten in der gesamten Ausstellung markante visuelle Hinweise. Als Teil der Reisestationen, neben den Texten angeordnet, veranschaulichen sie wesentliche Ereignisse (Krankheiten, Transportmittel, Orte, u.Ä.), ohne dass der Text gelesen werden muss. Dies gelingt sehr gut und macht die umfangreichen Informationen zu den Stationen anschaulicher und leichter erfassbar. Das Medium zieht sich durch und holt Besuchende, die nicht gerne alles lesen bzw. den Großteil der Besuchenden, der durch die Menge an Texten lesemüde werden könnte, gut ab. Schlüsselereignisse, dessen Teilnehmer (es handelt sich ausschließlich um männliche Expeditionsmitglieder, wie zu Beginn der Ausstellung erwähnt wurde) und weitere Eigenschaften der Reise werden darin aufgenommen. Doch die Piktogramme stehen nicht immer in dieser Funktion. Sie werden auch eingesetzt, um dem Besuchenden zu signalisieren, dass hier etwas gehört werden kann oder um zu veranschaulichen, mit welchen Techniken die Wissenschaftler vor Ort gearbeitet haben. Diese Unterschiede erschließen sich nicht sofort, sodass die schiere Menge von Symbolen und Schriftzeichen an Vitrinen wie Texttafeln zeitweise zu groß wird.

Da die Hieroglyphen als bildliche Schrift im zweiten Ausstellungsteil eine große Rolle spielen, kann den Piktogrammen auch eine inhaltliche Bedeutung zugesprochen werden. Sie könnten nicht nur verwendet worden sein, um bildlich Informationen darzustellen, sondern auch dazu dienen, die für die Erforschung der altägyptischen Kultur höchstrelevante Bildschrift nachzuempfinden. Wesentliches Thema der Provenienz wird zur NebensacheDie Ausstellung bietet eine in sich abgeschlossene Erzählung des königlich geförderten Abenteuers und dessen hoher wissenschaftlicher Bedeutung für Berlin und die ägyptologische Forschung. Dabei richtet sie den Blick nicht nur auf die Objekte der hauseigenen Sammlung, sondern auch auf deren Provenienz. Es handelte sich um Mitbringsel einer Forschungsreise. Indem die Exponate an den jeweiligen Stationen der Reise positioniert werden, eröffnet sich ein Blick auf die Umstände ihrer Beschaffung. Das ließe sich nutzen, um die in den letzten Jahren präsente Frage der Herkunft von Objekten in deutschen bzw. europäischen Sammlungen zu beantworten. Dies geschieht jedoch nur indirekt, anhand des Aufmachers der abenteuerlichen Forschungsreise, weswegen museologisch relevante Diskursfragen nach Rechtmäßigkeit und Besitzanspruch eher oberflächlich abgehandelt, statt zur Diskussion gestellt zu werden. Letzteres ist nicht das Ziel der Ausstellung, eventuelle Restitutionsforderungen finden keine Erwähnung. Stattdessen wird häufiger erwähnt, dass es sich bei den Ausfuhren um Geschenke des ägyptischen Machthabers Mehmed Ali Pascha an Lepsius bzw. den preußischen König handelte. Der Besitzwechsels der Objekte wird damit formal legitimiert. Lediglich Lepsius archäologisches Vorgehen, bei dem er intakte Architektur abbaute und nach Berlin brachte, wird am Ende der Ausstellung kritisiert und als heutzutage illegal klassifiziert. Von Nordafrika ins Museum Beide Ausstellungsteile sind logisch voneinander getrennt. Der erste behandelt zunächst die eigentliche Reise bis zur Rückkehr nach Europa. Nach der Ankunft in Deutschland folgt die Übernahme der Sammlungsstücke in das fast fertiggestellte Museumsgebäude. Die schiere Menge und wissenschaftliche Bedeutung der Funde werden durch die Titulierung als „Erfolge der Expedition“ hervorgehoben. Damit seien Grundlagen der ägyptischen Sammlung gelegt worden. Der zweite, deutlich kleinere Ausstellungsteil, widmet sich stärker den wissenschaftlichen Methoden zur Entschlüsselung der Objekte und zur Gewinnung von Wissen aus ihnen. Dabei wird auch die Brücke in die Gegenwart und aktuelle Museumsarbeit mit den Objekten geschlagen und ihre Relevanz für die Forschung erneut betont. Wesentliche Elemente der altägyptischen Kultur werden hier prägnant und für unterschiedliche Zielgruppen verständlich erklärt, z.B. der Nutzen der Opferkammern oder die Ikonographie einiger großdimensionaler Funde. Besonders die Hieroglyphen erhalten große Aufmerksamkeit, da diese Schrift weiterhin Rätsel aufwirft und das Publikum zu faszinieren verspricht. Ihre Besonderheiten werden in den Blick genommen und erklärt. Dies lässt sich zwar direkt an den Objekten nachvollziehen, eine weitere Aktivierung der Besuchenden wünscht man sich jedoch trotzdem und mit Ausnahme einer Aufgabe in dem kindlichen Rätselheft vergebens.Das Druckverfahren der Lithografie wird schrittweise, verständlich und anhand von Bildern erklärt. So wird auch hier die wissenschaftliche Erkenntnis, die durch Objekte gewonnen werden kann, stets mit den Exponaten verbunden.


Dennoch bleiben manche eventuell. kindliche Fragen offen. Beispielsweise warum die ausgestellte Publikation der Expedition mit ihren ca. 90 cm Höhe und 60 cm Breite so überproportioniert ausfiel.
In dem Ausstellungsteil im Erdgeschoss fällt auf, dass einige Objekte aus der Dauerausstellung mit in die Sonderausstellung eingebunden werden. Dies leitet Besuchende automatisch in die Räume der Dauerausstellung, in denen die orangenen Tafeln aus der Sonderausstellung immer wieder vereinzelt auftauchen. So gelingt eine angenehme und unübliche Verschmelzung der Sonder- und Dauerausstellung, welche nicht zuletzt die Relevanz der Funde betont. Ihre Bedeutung als Grundstein für die Sammlung des Hauses, wie sie in Texten bereits erwähnt wurde, wird hier physisch deutlich.
Fazit
Die Ausstellung ist sicherlich gelungen und handwerklich gut umgesetzt. Sie bietet einen schönen Wissensausflug, indem sie die Besuchenden auf eine abenteuerliche Reise entlang des Nils mitnimmt. Dies wird didaktisch durch die Tagebucheinträge eindrücklich bildlich und durch das Einsetzen der Piktogramme als fortschrittliches Medium angenehm wie interessant gestaltet. Eine multisensorische oder interaktive Ausstellung ist es jedoch nicht. Der versprochene Mitmacheffekt fällt im Gegensatz zur statischen Dauerausstellung zwar größer, allgemein und in Anbetracht meiner anfänglichen Erwartungen an diese Ausstellung jedoch zu gering aus. Insbesondere mit Blick auf das erkennbare Ziel der Ausstellung, ein Ausflugsort für Familien in den dunklen Wintermonaten, in denen diese Ausstellung zu sehen ist, zu sein, wären weitere interaktive Stationen eine Bereicherung gewesen. Um dem Ursprung der ägyptischen Sammlung des Preußischen Kulturbesitzes näher zu kommen, lohnt sich ein Besuch aber in jedem Fall.
Neues Museum Berlin, Sonderausstellung Ägyptisches Museum und Papyrussammlung – Staatliche Museen zu Berlin in Kooperation mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, der Freien Universität Berlin, der Einstein-Stiftung und der Ernst-Litfaß-Schule
Laufzeit: 15.10.2022 – 07.03.2023
Kuratierung: Jana Helmbold-Doyé, Silke Grallert, Rebekka Pabst
Gestaltung: stories within architecture GmbH, Berlin


















